Zur Homo-Ehe

Homo-Ehe

Seit die erzkatholischen Iren per Volksabstimmung der Homo-Ehe den Weg ebneten, ist auch hierzulande die Diskussion um die völlige Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften neu entfacht. Da im Jahre 2015 einfache Ressentiments nicht mehr genügen, verheddern sich die Konservativen dabei in allerlei argumentativen Absurditäten. Was fehlt ist eine klare Auffassung bezüglich des Werts der Ehe. Ein Versuch der Klärung.

Die Ehe zwischen zwei Menschen ist Ausdruck ihrer besonderen Zuneigung und der Bereitschaft füreinander Verantwortung zu übernehmen. Für den Staat ist sie zudem Entlastung und Grundbaustein des kleinsten Gemeinschaftspartikels namens Familie. Entsprechend goutiert er sie mit Steuererleichterung, Erbschaftsbegünstigung und besonderen Rechten. Bereits hier muss jedoch genauer hingeschaut werden. Liegt der Wert der Ehe nur in der stabilen gegenseitigen Fürsorge oder darüber hinaus auch in der möglichen Produktion von Nachwuchs?

Da kinderlosen Ehepaaren grundsätzlich dieselben Erleichterungen zugestanden werden, kann es sich nach dieser Logik höchstens um die Belohnung eines diffusen Potential zur Reproduktion handeln. Spätentschlossene, die bereits dem gebärfähigen Alter entflohen sind, sind allerdings ebenfalls nicht von der staatlichen Eheförderung ausgeschlossen. Der Gesetzeslage zufolge scheint es dem Staat also tatsächlich um Fürsorge statt Reproduktion zu gehen. Etwaige Fruchtbarkeitsargumente, die auf die mangelnde Möglichkeit der Reproduktion homosexueller Paare als deutlichsten Unterschied zur Hetero-Norm abzielen, entwickeln daher keine Schlagkraft.

Äußerungen wie jene der saarländischen Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer, die ein Argument der „schiefen Ebene“ bemühen, greifen hieran anschließend ebenfalls ins Leere. Öffne man die Ehe für homosexuelle Paare, würde die Ehe zum leeren Begriff und jede Form des Miteinanders könnte Anspruch auf sie erheben, so Kramp-Karrenbauer sinngemäß. Der Staat verlöre seine Mittel zur Restriktion von Geschwisterliebe und Vielehe. Abgesehen davon, dass die schiefe Ebene, auf die wir uns mit der Einführung der Homo-Ehe angeblich begeben würden, nicht mehr als eine Angstfiktion der Tradionalisten darstellt, fragt sich der weniger ressentimentbehaftete Bürger wohl, was so schlimm daran wäre.

Wenn Reproduktion nicht der Grund für die Eheförderung ist, dann unterscheidet sich Inzucht nicht wesentlich von heterosexuellen Partnerschaften. Natürlich müsste Nachwuchs zwischen Geschwistern zum Wohle der fiktiven Kinder weiterhin verboten bleiben. Im Jahr 2015 sollte es jedoch möglich sein hierfür geeignete Lösungen zu finden. Die Vielehe hingegen bewerkstelligt womöglich sogar ein Plus an Nachwuchs und schafft zudem Fürsorgepflichten zwischen mehr als zwei Menschen. Es bleibt bei der unschuldigen Frage: Warum sollten sich erwachsene Menschen, die sich lieben, nicht mit staatlichem Segen aneinander binden dürfen, unabhängig von ihren sonstigen Eigenschaften?

Hierauf finden die Gegner keine befriedigenden Antworten, so sehr ihre Moralvorstellungen sie auch dazu anhalten, welche zu finden. Die Beziehungen eines erwachsenen Menschen an sich gehen den Staat nichts an. Er darf sie fördern, wenn sie der Gesellschaft nutzen und er darf sie erschweren, wenn sie der Gesellschaft nachweislich schaden. Was er nicht darf, ist einem altbürgerlichem Paternalismus zu frönen, der jeglicher Grundlage entbehrt.

Als letzte Bastion verschanzen sich die Konservativen hinter dem Adoptionsrecht. Kinder mit gleichgeschlechtlichen Pflegeeltern würden unter diesem Umstand leiden, so die These. Leider ergeben Studien, dass Kinder, die bei homosexuellen Paaren aufwachsen, davon nicht beeinträchtigt werden. Eventuelle Anfeindungen Dritter gegen diese Kinder ergeben sich wiederum nicht aus dem Faktum der Homosexualität, sondern aus der Intoleranz der Heterofraktion. Aber wer weiß, vielleicht begeben wir uns mit der vollen Öffnung gegenüber Homosexuellen ja tatsächlich auf eine schiefe Ebene. Und irgendwann feinden wir Homosexuelle dann nicht mehr an, weil wir sie nicht mehr als das Fremde und Widernatürliche begreifen, zudem es Ausgrenzung und rechtliche Differenzierung verklären, sondern ihnen das zukommen lassen, was ihnen rationale Argumente nie verwehren konnten: Ignoranz stattt Ausgrenzung oder gönnerhafte Toleranz, die in der Betonung des Anderartigen verstrickt bleibt.