SPD verkennt mit Fokus auf Familiennachzug ihre sozialdemokratische Pflicht

Martin Schulz

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[vc_row][vc_column][vc_column_text]Seit Tagen bestimmt der Familiennachzug die Debatten und Wasserstandsmeldungen zur nicht mehr ganz so Großen Koalition. Das ist bezeichnend für die Konturlosigkeit der deutschen Politik unter Angela Merkel. Von der SPD zur Grundsatzfrage erhoben, bedeutet es aber auch: die deutsche Sozialdemokratie ist am Ende.

Von der Bürgerversicherung war die Rede, von der Abschaffung sachgrundloser Befristung. Geblieben sind etwas mehr Kindergeld für Alle und die paritätische Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen. Ebenso wie die Leiharbeit geblieben ist, die Altersarmut verursachenden Midijobs, der Pflegenotstand. Als Ruhmesblatt gilt der SPD jetzt ein Mehr an Familiennachzug. Humanität und Politik für die kleinen Leute seien schließlich irgendwie dasselbe. Doch mitnichten.

Sozialdemokratische Politik bedeutet vielmehr, dorthin zu gehen, wo es weh tut. Sie steht für Gewerkschaftsnähe, für die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen. Für den Kampf also, Erfolge sozialdemokratischer Politik sind im wahrsten Sinne des Wortes Errungenschaften. Die SPD hat diese Grundhaltung preisgegeben. Zwar muss mit der CSU um den Familiennachzug ebenso gerungen werden. Aber Arbeitgeber, Wirtschaftsverbände und dergleichen stehen gar nicht erst im Ring. Das ist das Tolle an humanitärer Politik: Sie tut niemandem weh.

Die Zielgruppe der SPD ist eine andere

Der kleine Mann pfeift derweil auf humanitäre Anwandlungen. Er muss den Ausfall der Waschmaschine fürchten. Ihm eine neue zu schenken, wäre humanitär. Seine Arbeitnehmerrechte zu stärken, wäre sozialdemokratisch. Die SPD hat diesen Unterschied vergessen. Wenn sie das nächste Mal, also in ungefähr 4 Jahren, damit hadert, dass ihre politischen Erfolge von niemandem gewürdigt werden, dass Merkel alles aufsauge – vielleicht mag sie sich dieses feinen Unterschieds erinnern.

Jenseits der SPD, bei den Grünen oder der Linken, ist man ebenfalls dem Primat der Humanität anheimgefallen. In einer globalisierten Welt ist ein Primat der Ökonomie mit Gefahren verbunden, denn der nächste Arbeitsmarkt ist nur eine offene Grenze weit entfernt. Die Nationen stehen miteinander im Wettbewerb um die Arbeitsplätze. Auf dieser Einsicht fußen die Agenda 2010 sowie Macrons Reformabsichten. Aber es bleibt eine Bankrotterklärung für sozialdemokratische Politik, wie humanitär man sich auch geben mag.