Das Telekommunikationsgesetz soll verschärft werden

Telekommunikationsgesetz

Datenschutz ist so manchem Bürger Deutschlands ein leidiges Thema geworden. Zu lange segelten schwarz beflaggte Schiffe Rhein, Donau und Mosel entlang. Zu oft sprach man von „Transparenz“, „Unschuldsvermutung“ und „Bürgerrechten“. Da mutet es auch nicht mehr seltsam an, dass die drohende Verschärfung des Telekommunikationsgesetzes kaum wahrgenommen wird und erst recht keine Proteste hervorruft.

Das heißt, doch: Die Opposition aus Linken, Grünen und SPD verließ Ende Oktober geschlossen den Innenausschuss. Der Grund: Es ging den Herren alles ein bisschen zu schnell.

Nun wurde der Gesetzesentwurf im Bundesrat ohne grundlegende Beanstandung durch gewunken. Konkret plant die schwarz-gelbe Bundesregierung nicht weniger als den vollen Zugriff auf das digitale Leben ihrer Bürger. Email-Postfach, Handy-Daten und auch Passwörter sollen künftig jederzeit abrufbar sein. Richterliche Beschlüsse oder eine akute Gefahrenlage als Voraussetzungen für die Datenabfrage? Fehlanzeige. Es genügt, dass die Daten „für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten“ erforderlich sind.

Vorgängergesetz verfassungswidrig

Im Januar hatte das Bundesverfassungsgericht das geltende Telekommunikationsgesetz aus rot-grünen Zeiten für teilweise verfassungswidrig erklärt. Der nun vorliegende Gesetzestext soll die Schwachstellen ausbügeln. Wichtigster Punkt: Die Auskunftspflicht von Telekommunikationsdienstleistern. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine klarere Regelung verlangt, wann wer, wo, wie und warum zur Auskunft verpflichtet ist.

Die Antwort der Bundesregierung fällt verbraucherfreundlich aus. Alle staatlichen Behörden, die auch nur im entferntesten etwas mit Staatsschutz und Gewaltmonopol zu tun haben, dürfen Informationen über jeden Bürger und jede Bürgerin einholen, sofern diese Teil eines Ermittlungsverfahrens sind und die „gesetzlichen Voraussetzungen für die Nutzung der Daten“ vorliegen. Email-Passwörter, Mailbox-PINs und IP-Adressen eingeschlossen. Wann genau die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, bleibt nützlicherweise ein Mysterium. Endlich ein Gesetz, das auf einen Bierdeckel passt.

Einschränkende Passagen gekürzt

Die Würze liegt in der Tat in der Kürze. Frühere Passagen wie „hat im Einzelfall [..] Auskünfte zu erteilen“ oder „an andere öffentliche oder nicht öffentliche Stellen dürfen diese Daten nicht übermittelt werden“ fehlen in der Novelle der Bundesregierung (TKG §113 Abs. 1). Verkehrsdaten, also wann Handy X mit Handy Z in Verbindung war, die Dauer des Telefonats oder der Standort sollen künftig gar per Datenpipeline automatisch abrufbar sein. Die Krönung aber liegt in der Pflicht zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Auskunft: sie liegt beim Telekommunikationsdienstleister.

Zusammengefasst: Wenn das neue Telekommunikationsgesetz 2013 auch den Bundestag passiert, werden Hürden abgebaut und das Abfragen selbst hochsensibler Daten erleichtert, während die Voraussetzungen dafür schwammig formuliert sind. Schutz vor einem möglichen Missbrauch seitens staatlicher Behörden ist kaum gegeben. Es benötigt kein überschwängliches Maß an Vorstellungskraft, um sich die Gefahren, die in einem derart liberalen Umgang mit personalisierten Daten liegen, auszumalen.

Von den Informanten eines Journalisten über schwäbische Wutbürger bis hin zu Gewerkschaftern und Aktionsbündnissen – die Staatsmacht würde nach erfolgreicher Novellierung des Gesetzes kaum noch Schwierigkeiten haben, Identitäten und Beziehungen auffälliger Zeitgenossen festzustellen. Das mag zunächst nur Verschwörungstheoretiker und Langzeitkiffer beunruhigen. Doch es nicht nötig, irgendjemandem böse Absichten oder Kalkül zu unterstellen. Das Skandalöse des neuen Gesetzesentwurfs liegt in seinen unmittelbaren Auswirkungen auf den Gebrauch von Grundrechten.

Don’t kill the messenger – aber schreib seinen Namen auf

Demokratie beginnt und endet mit der Beteiligung der Bürger an der Politik und deren regelmäßigen Legitimation durch das Volk. Wahlen allein garantieren diesen Grundsatz jedoch nicht. Vielmehr sind eine ständige Auseinandersetzung, ein gesellschaftlicher Diskurs und nicht zuletzt ungeschönte Kritik die notwendigen Bedingungen für eine Demokratie. Die Mittel hierfür garantiert das Grundgesetz: Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit.

Wenn jedoch theoretisch Informanten nicht mehr ausreichend geschützt oder Demonstranten jederzeit identifiziert und überwacht werden können, dann bedroht dies die demokratische Grundordnung. Die Bereitschaft zu Kritik und zum Aussprechen unbequemer Wahrheiten sinkt mit dem damit verbundenen Risiko. So ist zu befürchten, dass ein Mehr an Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten zu einem Weniger an Protest führt.

Es ist zumindest fraglich, ob sich unsere heutige Gesellschaft das leisten kann. Für den Fall, dass das Gesetz den Bundestag passiert, haben engagierte Datenschützer eine erneute Verfassungsklage angekündigt.

Ein weiteres Merkmal unserer Demokratie ist die freie Marktwirtschaft. Angebot und Nachfrage regeln den Preis. Vielleicht sollte sich jeder einmal fragen, wie unsicher er sich eigentlich fühlt und wie groß sein Bedürfnis nach mehr Sicherheit ist. Dann müssten wir höchstwahrscheinlich auch nicht darüber debattieren, ob wir Privatsphäre und deren Schutz dafür eintauschen wollen.