Pep Guardiola und der Konsequentialismus

Guardiola

Der FC Bayern ist im Halbfinale der Champions League gegen Atletico Madrid gescheitert. Dieses Scheitern wird als endgültiges Scheitern des Trainers Guardiola interpretiert. Aber in dieser Interpretation spiegelt sich nur das Stammtisch-Niveau der deutschen Fußballberichterstattung.

Wenn Guardiola nach dem verlorenen Halbfinale auf dem Podium der Pressekonferenz sitzt und sagt, er sei glücklich, dann darf man ihm das glauben. Es darf einen auch verwirren, aber spätestens dann muss man endlich versuchen diesen Mann als Trainer zu verstehen. Guardiola hat eine Idee von Fußball und wann immer seine Mannschaft dieser Idee nahe kommt, ist er glücklich. Und vermutlich war sie ihr nie näher als in der ersten Halbzeit dieses Halbfinal-Rückspiels. Der notorische Ballbesitz war in diesen 45 Minuten nicht zum Selbstzweck verkommen, eine Gefahr, die sich immer dann auftut, wenn Guardiolas Mannen die entscheidenden Spielzüge abgehen. Aus dem Ballbesitz heraus entwickelte dieser FC Bayern eine permanente Bedrohung, wurde zu einer Hydra mit ungezählten bezahnten Köpfen. Mehr kann man sich als Trainer von seinem Team nicht wünschen.

Guardiolas schöpferischer Fußball

Guardiolas Fußball ist dabei der Gegenentwurf zum resignativem Pressing- und Konterfußball eines Jürgen Klopps oder auch des gestrigen Gegenübers Simeone. Anstatt auf Fehler des Gegners zu warten und selbst mit dem Ball quasi keine begehen zu können, weil man ja kaum den Ball hält, will Guardiola sich die Fehler des Gegners erspielen und dafür das Risiko eingehen, selbst Fehler zu machen. Guardiola lässt schöpferischen Fußball spielen. Und wie Gott damals die Erde nach seiner Schöpfung betrachtete und sah, dass es gut war, ohne sich darum zu scheren, was die Menschen eines Tages mit seiner Schöpfung anstellen würden, so besah auch Guardiola am gestrigen Abend seine Schöpfung und sah, dass es gut war.

Dieses Denken ist freilich feingeistig. Elitär vielleicht, weil sich ein Abstiegskandidat einen solchen Luxus nie erlauben könnte. Aber es entwickelt den Fußball, es legt das kreative Potential frei, das diesem Spiel zugrunde liegt. Die Logik keine Titel=kein Erfolg ist die des enttäuschten Fans oder des missgünstigen gegnerischen Fans, kurz: Sie ist das Niveau des Stammtischs. Wer den Fußball selbst liebt, kann zwar die Bayern hassen, aber nicht das, was dieser Trainer mit diesem Club geschaffen und gestern auf den Rasen gezaubert hat. Man muss schon ein seelenloser Konsequentialist sein, um das Wie dieses Fußballs nicht würdigen zu können. Um Guardiolas Wirken beim FC Bayern am verpassten Champions League Titel zu messen. Zu großen Titeln gehört Glück und die Bewertung einer Leistung kann nicht von dem Vorhandensein dieses Glücks abhängig sein. Guardiola weiß das und deshalb ist er Deontologe.