Kramp-Karrenbauer und das „Weiter so“ – Hoffen auf die AfD

Kramp-Karenbauer Parteivorsitz

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Annegret Kramp-Karrenbauer hat den Vorsitz einer gespaltenen Partei übernommen. Ihren Sieg bejubelt man als Sieg gegen das vom Kontrahenten Friedrich Merz vertretene Reaktionäre. Aber mit AKK braucht das bürgerliche Lager das Reaktionäre mehr denn je.

Die AfD ist wie Donald Trump im Miniaturformat: Ihre Wahlerfolge müssen größtenteils ihren Vorgängern angelastet werden, sie selbst können ohnehin kaum etwas dafür. Man muss also Barack Obama und Angela Merkel unangenehme Fragen stellen, wenn man dem Erfolgsgeheimnis der Reaktionären auf die Spur kommen will.

In der CDU ist das widerwillig erst dann geschehen, als Merkel nicht mehr der Erfolgsgarant war, den sie jahrelang verkörpert hatte. Doch Merkel wäre nicht Merkel, hätte sie – anders als gemeinhin behauptet – ihr Macht nicht auch dadurch abgesichert, dass ihr viele in den Reihen der CDU die Karrieren verdanken. Allen voran Annegret Kramp-Karrenbauer. So holte Merkels Intimfeind Merz, der aus der politischen Versenkung auftauchte wie ein sehr alter Gegner am epischen Ende eines Videospiels, zwar fast die Hälfte der Stimmen. Aber eben nur fast.

Jubel der Bürgerlichen über die Fortsetzung ihrer Abwicklung

Die Jubelarien, die nun angestimmt werden, sind jedoch Fehl am Platz. Sei es von links, wo man den Griff nach der Macht des Lobbyisten-Lümmels Merz zwar herbeigesehnt hatte wie ein gläubiger Christ die Apokalypse, aber sich natürlich nun doch aufrichtig freut, dass es nicht so gekommen ist. Sei es von grün, wo die schwarzgrünen Machtoptionen heller nie schienen. Und sei es seitens der Presse, wo man Merkel noch im Wahlsommer so heiß und innig liebte, dass alles, was nur ähnlich aussieht, herzlich willkommen ist (Hauptsache Schokolade).

AKK steht für die Fortsetzung des Ungestaltungswillens merkelscher Prägung. Damit reiht sie sich ein in die gepriesene aber hilflose Riege der Clintons, Macrons und Kerns. Wo diese Antihelden ihre Wahlen verlieren, ist ihr „Weiter so“ hinreichend entlarvt, wo sie sie noch gewinnen, ist ihr „Weiter so“ nur das kleinere Übel als der Faschismus. Allen voran Macron, der Posterboy des deutschen Feuilletons, der nichts anderes als einen Niedriglohnsektor deutscher Prägung auf französischem Boden im Sinn hat, dies aber 15 Jahre später nicht mehr durchgedrückt bekommt, verdankt seine Präsidentschaft allein der Konkurrenz namens Front National. Dem Faschismus also, gegen den allein sich noch so etwas wie eine bürgerliche Front versammeln lässt.

Ohne Faschisten keine Wahlerfolge

Dabei wird in all der Aufregung über einen vermeintlichen Rechtsruck gerne übersehen, dass die Alternativen zu dieser Riege durchaus mehr als bloße Abwehrreflexe gegen die drohende Machtübernahme der Faschisten ausgelöst hätten. Bernie Sanders hätte nie gegen Trump verloren. Martin Schulz hätte die Wahl gewonnen, wenn er nach seinem verheißungsvollen Start samt Hartz-Kritik und sozialdemokratischer Romantik nicht selbst zu einem Apologeten des „Weiter so“ verkommen wäre. So gewann die Wahl die eigentlich schon abgeschlagene AfD und alle anderen verloren sie.

Wenn nun mit Kramp-Karenbauer das personifizierte Weiterso die Geschicke der letzten halben Volkspartei Deutschlands übernimmt, wenn das einzige Prinzip der CDU weiterhin bleibt, keine Prinzipien zu haben, dann besteht die einzige Hoffnung der Delegierten und des bürgerlichen Lagers darin, die AfD möge sich weiter radikalisieren und weitere Erfolge einfahren. Denn ohne die Bedrohung von Rechts ist diese Politik nicht länger mehrheitsfähig.

In Frankreich ist dieser Tage zu sehen, was die einfachen Leute von dieser Art Politik halten. Dabei scheint die geplante Benzinsteuer zunächst nur eine soziale Ungerechtigkeit zu viel zu sein. Doch derlei Reformen sind gerade die Ermöglicher des „Weiter so“ – ohne Niedriglohnsektor, Sozialabbau und Exportüberschuss ist im Europa des 21. Jahrhunderts kein Staat der alten Ordnung mehr zu machen. Die einfachen Leute aber zweifeln längst an der Notwendigkeit dieser Ordnung.

„Weiter so“ aus der Alternativlosigkeit heraus geboren

Für AKK als Parteivorsitzende heißt das nicht, dass Merz an sich der bessere Kandidat gewesen wäre. Aber seine Wiederauferstehung aus den Untiefen des alten Deutschlands hätte dem „Weiter so“ seinen beschwichtigenden Anstrich genommen. Statt zu jubeln, hätte man sich gerüstet. Das Wahlvolk hätte gewusst, wenn oder was es da wählen kann, denn Merz hält Fassade nicht für nötig. Mit Kramp-Karrenbauer aber muss sich der Wähler weiterhin fragen, wo und weshalb er bloß sein Kreuzchen machen soll. Und die bürgerliche Opposition muss sich weiterhin fragen, wogegen sie eigentlich opponieren soll.

Bisher ist die Furcht vor den rechten Untiefen jenseits der CSU noch mächtiger, als der Verdruss über die Alternativlosigkeit zur alternativlosen Politik. Doch das muss nicht so bleiben. Eine Kanzlerkandidatin Kramp-Karrenbauer könnte das Ende der Einheitsfront gegen Rechts bedeuten. Man traut sich kaum, es zu schreiben, aber Deutschland bräuchte einen Martin Schulz. Wie er nie wirklich gewesen ist. Ein CDU-Vorsitzender Merz hätte das wahrscheinlicher gemacht.