Relegation ist nichts als Politik

Relegation Holstein Kiel Kritik Wolfsburg

© Punktional (CC BY-SA 3.0)

Die Wiedereinführung der Relegation zwischen der 1. und 2. Fußball-Bundesliga im Jahr 2009 versprach Spannung und Drama – und damit Mehreinnahmen. Den etablierten Erstligaclubs bot sie zudem einen willkommenen Bestandsschutz. Der HSV, Hoffenheim und der VfL Wolfsburg können ein Lied davon singen – oder drei. Nach dem gestrigen Sieg der Wolfsburger gegen Holstein Kiel, die in der 2. Liga mit Guardiola-Fußball begeisterten, brandet die Diskussion über Sinn und Zweck der Relegation neu auf.

Eigentlich aber geht es dabei um Fußball-Romantik und damit um einen Fairnessgedanken, der dem Sport in Zeiten des Turbokapitalismus zusehends abhanden kommt. Wieso soll ein furioser Tabellendritter mit einem Personaletat von rund 6 Millionen Euro erst noch zwei Spiele gegen einen Tabellen-16. bestreiten, der seinen Spielern dem Vernehmen nach 78 Millionen Euro bezahlt? Und wie soll er diese Spiele dann auch noch für sich entscheiden? Einen erstligatauglichen Kader will man sich schließlich erst im Sommer zusammenstellen, ja kann man in der zweiten Liga gar nicht haben. Überhaupt gilt die Bundesliga doch stets als der ehrlichste Wettbewerb, weil eben nicht Tagesform und Glück über den Titel, die Champions League und das graue Mittelfeld entscheiden. Nur beim Thema Abstieg nimmt man es nicht so genau.

Erstligisten oft knapp der Blamage entronnen

Aus den letzten sechs Relegationensrunden ging der Erstligist als Sieger hervor. Oft hört man dieser Tage daher das Argument, der Dritte der zweiten Liga habe ohnehin nichts in der Bundesliga verloren. Der Abstand sei zu groß, das Scheitern vorprogrammiert. Betrachtet man allerdings die Ergebnisse der jeweiligen Aufeinandertreffen, muss man eher das Leistungsvermögen der Bundesligisten in Zweifel ziehen: Auswärtstorregel, Verlängerung, Ein-Tor-Vorsprung. Klare Angelegenheiten wie in diesem Jahr sind trotz der höchst unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten selten.

Drittplatzierte haben Liga bereichert

Wirft man einen Blick in die Vergangenheit wird das Argument weiter entkräftigt. Als der dritte Platz noch den Aufstieg garantierte, fanden sich darunter Teams, die in der Folge die 1. Bundesliga bereicherten und mitunter prägten. Wer erinnert sich nicht an Energie Cottbus, die mit ihrem Kult-Torwart Tomislav Piplica dafür sorgten, dass drei Jahre lang ein Ost-Verein in der Bundesliga vertreten war. So ganz in echt, Tradition inklusive. 2002 stieg der VfL Bochum als Drittplatzierter auf, wurde sensationell 9. und zog im Jahr darauf als 5. in den Uefa-Cup ein. Die Trainerlegende Peter Neururer war geboren. Im selben Jahr schaffte es der FSV Mainz 05 nach langem Anlauf endlich denkbar knapp ins Oberhaus. An der Seitenlinie stand der junge Jürgen Klopp. Zweimal hielt das Team die Klasse, ehe Klopp mit Neven Subotic im Gepäck nach Dortmund aufbrach, um dort den deutschen Vereinsfußball ins neue Jahrtausend zu coachen. Selbst als der FC St. Pauli 2001 gerade so den Aufstieg bewerkstelligte und im Folgejahr als 18. mit 12 Punkten Rückstand in der ersten Liga unterging, wurden Helden geboren: die „Weltpokalsiegerbesieger“ gingen in die Geschichte ein.

Es besteht daher kein Grund anzunehmen, der Dritte der Zweiten Bundesliga wäre in der obersten Spielklasse allenfalls schmückendes Beiwerk.

Weshalb keine ligeninterne Relegation?

Das einzige schlüssige Argument für eine Relegation bleibt demnach dramaturgischer Natur: Die Saison schrumpft auf zwei Spiele zusammen, David gegen Goliath, es kann nur einen geben. All das Drama könnte man aber auch auf anderem Wege fabrizieren. Wieso spielen nicht der 15. und 16. der ersten Liga Abstiegs-Playoffs? Und der 3. und 4. der zweiten Liga Aufstiegs-Playoffs? Hätte man da nicht noch mehr Nervenkitzel? Noch höhere Einschaltquoten? Mehreinnahmen also? Frankfurt gegen Hoffenheim, Stuttgart gegen Hamburg – das sind Abstiegsdramen von denen Fans nachts schweißgebadet träumen. Allerdings schützen sie den wertvollen Bestand eben nicht so effektiv wie Hin- und Rückspiel gegen einen finanziell hoffnungslos unterlegenen Gegner.

Über kurz oder lang wird die DFL allerdings wohl ohnehin feststellen, dass mehr Teams in der Liga sogar noch mehr Einnahmen ermöglichen. Die Aufstockung der 1. Bundesliga auf 20 Teams ist eine Frage der Zeit. Spätestens wenn 50+1 gefallen oder weiter aufgeweicht worden ist, wird sich eine Mehrheit dafür finden, um dem eigenen Verein weiterhin einen Platz im Oberhaus zu sichern. Bis dahin dürfen die Fans sich an einer Relegation erfreuen, die keine andere Funktion erfüllt: Platzhirsche sollen möglichst Platzhirsche bleiben.