DIE WELT entlässt Edelprostituierte Salomé Balthus

Salomé Balthaus

Bildquelle: SRF, Bildzitat.

Die Edelprostituierte und Autorin Salomé Balthus schrieb bis vor Kurzem Kolumnen für DIE WELT. Nach einem Interview im SRF mit Ex-Sat.1-Geschäftsführer Roger Schawinski tut sie das nun nicht mehr. DIE WELT hat sie in Person von Chefredakteur Ulf Poschardt entlassen. Bei diesem soll sich Schawinski über eine Kolumne von Balthus beschwert haben, die besagtes Interview thematisierte.

Dort hatte Schawinski seine Interwievpartnerin nach vier Minuten Sendezeit mit einem Einspieler der Edelfeministin Alice Schwarzer konfrontiert. Diese behauptete darin, dass eine „überwaltigende Mehrheit“ der Frauen, die vermeintlich freiwillig als Prostituierte arbeiten, „noch häufiger als im statistischen Durchschnitt“ in der Kindheit „sexuellen Missbrauch erfahren haben“. Schawinski besaß die Arroganz eines Unbetroffenen Salomé Balthus direkt nach diesem Einspieler zu fragen: „Ist das bei Ihnen auch der Fall gewesen?“. In den Minuten zuvor handelte das Gespräch von Balthus‘ Vater, einem berühmtem Komponisten.

Balthus lachte, mehr gespielt als authentisch, und fand sichtbar überrumpelt keine angemessene Entgegnung. Schawinskis unverfrorenes Nachfragen („Sie erinnern sich nicht?“) nötigte Balthus dann tatsächlich eine Beantwortung der Frage ab: „Es ist nicht der Fall“. Schwawinski leitete zum nächsten Thema über, Studentinnen, die anschaffen gehen.

Abstruser Alice-Schwarzer-Einspieler

An diesem Punkt muss man kurz inne halten. In der Schawinski-Redaktion saßen demnach also Menschen, die sich dachten, es sei eine gute Idee, Frau Balthus diese Frage zu stellen. Kein Funken Spontaneität lag in der Luft, es gab einen Einspieler, der exakt diese Frage vorbereiten sollte und auch kaum eine andere zuließ. So weit, so erschütternd. Der Einspieler wiederum, dieses grandiose Zitat der grandiosen Frau Schwarzer, der es beim Thema Prosititution seit jeher darum geht, die betroffenen Frauen als entmündigt und willenlos darzustellen, ist so wirr wie abstrus.

Man muss sich den zentralen Satz auf der Zunge zergehen lassen, um seine Absurdität zu erkennen: Eine überwältigende Mehrheit der Prostituierten hat häufiger als der Bevölkerungsdurchschnitt Missbrauch erlebt. Frau Schwarzer meint also, dass 60 von 100 Prostituierten häufiger als normale Menschen missbraucht worden sind (sic!). Also nicht alle dieser 60, sondern nur unverhältnismäßig viele. Tatsächlich wurden daher vielleicht 10 von 100 missbraucht, aber um diese 100 geht es nicht, sondern um die 60 und davon 10 ist wirklich viel! Statt die Gesamtmenge zugrunde zu legen, selektiert Schwarzer sich die Bezugsgröße zurecht.

Man weiß nicht was schlimmer ist: Diese Unredlichkeit oder die implizite Schlussfolgerung, der zufolge sexuell missbrauchte Frauen eben nicht mehr ganz so zurechnungsfähig sind und daher bei ihrer Berufswahl nicht von „Freiwilligkeit“ gesprochen werden kann, wenn sie einem nicht gefällt. Oder die Tatsache, dass das in der Schawinski-Redaktion niemanden aufgefallen ist.

Kolumne gelöscht statt korrigiert

Balthus nutze ihre Kolumne bei der WELT, um das Verhalten Schawinskis anzuprangern. Dabei unterlief ihr ein Fehler. Sie zitierte Schawinski mit den Worten: „Hat ihr Vater sie als Kind sexuell missbraucht?“. Diese Frage ist so nicht gefallen. Der Vater war nicht Teil der Frage, sondern Teil des Kontextes, nachdem er im Vorfeld der Frage thematisiert worden war („Kein Kind von Traurigkeit“, Roger Schawinski), ehe Schawinski völlig unvermittelt zum Thema Missbrauch überging. DIE WELT reagierte mit der Entlassung Balthus‘ und der Löschung ihrer Kolumne.

Schawinski kann sich nun hinter dieser Reaktion verstecken, darauf verweisen, dass die Vorwürfe schlicht nicht der Wahrheit entsprechen. Das ist eine effektive Reaktion, wie man sie nicht nur von der AfD kennt. Alles nicht so gewesen, nie so gemeint, völlig fehlinterpretiert. Eine Interviewpartnerin unverblümt und völlig empathielos mit der Frage nach einem erlebten sexuellen Missbrauch zu konfrontieren und damit ihren persönlichen Lebensweg erklären zu wollen, bleibt aber auch dann eine pseudo-journalistische Entgleisung, wenn man nicht explizit nach ihrem Vater fragt. Und überhaupt: Was hat sich Schawinski davon erhofft? Einen „Scoop„? Eine Lebensbeichte vor laufender Kamera nach vier Minuten Interview? Schawinski und seine Redaktion haben eines jedenfalls nicht bedacht: Die Gefühle ihres Gastes.

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